Profilbild von Mireia, Yogalehrerin aus Berlin.

Leben »ohne«: Aus einem Experiment wurde ein Lebensstil

Die Community wächst, genauso das Interesse an einem alkoholfreien Lebensstil. Das Nein zum Alkohol hat den interessanten Nebeneffekt, dass man nach und nach mit Menschen zusammen kommt, die dem Alkohol bereits goodbye gesagt haben. Niemanden im Umfeld, der nicht trinkt? Dann anfangen rechts und links zu gucken. Es gibt sie. 

Das ein Leben ohne Alkohol ziemlich gut ist, beweist Mireia aus Berlin. Mit köstlichem plant-based Food, inspirierenden Yoga-Posen und einem herrlich alltäglichen Insta-Feed teilt Mireia ein Teil ihres Alltags. Seit über zwei Jahren alkoholfrei ist sie promovierte Wissenschaftlerin und Lehrerin an der Uni Potsdam und unterrichtet nebenbei Yoga. Sie hat mit uns ihre Erfahrung geshared, wie sie zu dieser Entscheidung kam, inwieweit Yoga damit zu tun hat und wie ihr soziales Umfeld mit dieser Entscheidung umgegangen ist. Danke Mireia, du bist eine Inspiration!

Mireia, was hat dich zu der Entscheidung bewegt, auf Alkohol zu verzichten?


Nachdem ich angefangen habe, mich pflanzlich zu ernähren und Yoga in meinen Alltag zu integrieren, bin ich selbstbewusster geworden. Dann habe ich auch gemerkt, dass sich mein Körper nach dem Alkoholkonsum nicht gut anfühlt. Es ist wissenschaftlich bewiesen, dass Alkohol mehrere Krankheiten verursachen und verschlimmern kann. »Warum trinke ich Alkohol?«, habe ich mich gefragt.

In Barcelona, wo ich herkomme, bin ich mit meinen Freundinnen fast jedes Wochenende feiern gegangen, und natürlich haben wir immer getrunken. Ich habe nie aus Genuss Alkohol getrunken, so wie manche Leute, sondern nur um Feiern zu gehen und die ganze Nacht durchzuhalten. Hier in Berlin sind meine Wochenenden irgendwie ruhiger geworden und meine Lebensziele haben sich verändert: meine Promotion, Yoga, ein neues Land und eine neue Stadt zu entdecken, eigentlich meine ganze Lebenseinstellung.

Seit wann lebst du Sober? Mit Open End oder hast du einen Zeitraum festgelegt?


Ich lebe seit Anfang 2018 ohne Alkohol und ich habe mit einem Ziel von 2 Monaten angefangen. Ich wollte erstmal schauen, wie sich das auf mein Sozialleben auswirkt. Ich habe danach gemerkt, dass Alkohol die einzige Droge ist, die man legal zu sich nehmen kann und bei der man permanent gefragt wird, warum man sie nicht nimmt.

Welche Rolle hat Yoga bei dieser Entscheidung eingenommen?


Ich praktiziere Yoga seit ca. 5 Jahren, ich habe damit angefangen, als ich nach Berlin gezogen bin. Drei Jahre später während meiner Yogalehrerausbildung habe ich alles, was den Yogalebensstil angeht, gelernt. Im Yoga redet man von Yamas und Niyamas. Das sind Verhaltensempfehlungen, speziell in unserem Umgang mit anderen Menschen und auch für das Verhalten uns selbst gegenüber. Eins davon ist Ahimsa, das 
»nicht verletzen« von allen Lebewesen. In diesem Sinne habe ich angefangen, mich pflanzlich zu ernähren.

Ein weiteres Niyama ist Saucha, was Reinheit bedeutet und bezieht sich auch auf innere Sauberkeit, in Gedanken aber auch in giftige Stoffe. Ich habe Alkohol als einen giftigen Stoff wahrgenommen, den man nicht braucht. Ich habe mich gefragt, was mir körperlich und geistig und passieren würde, wenn ich ohne Alkohol leben würde. Das bezieht sich auch auf das Selbststudium und Selbstreflexion (Svadhyaya, in Yoga). Mein erster Gedanke war: Das probiere ich mal aus und mal schauen, wie es sich anfühlt!

Wie ist allgemein in der Yoga-Community der Bezug zu Alkohol?


Mein Gefühl ist, dass die meisten (jungen) Yogalehrer, die ich kenne, nur manchmal gemäßigt Alkohol trinken. Keinen Alkohol zu trinken ist aber natürlich keine Voraussetzung, um Yogi oder Yogalehrer zu werden. Genauso wie vegetarische oder vegane Ernährung. Ich denke, alles kommt mit der Zeit. Man ist selbstbewusster und realisiert einfach, was einem guttut oder nicht.

Gab es Momente, die dich an der Entscheidung Zweifeln haben lassen?


Ja, die habe ich immer in Gesellschaft. 
»Aber probier doch mal«»Ein Glas Wein oder ein kleines Bier ist doch gesund und lecker«, usw. So was höre ich fast jeden Monat. Wenn ich zu einer Party oder Feier eingeladen bin und die einzige bin, die nur Wasser trinkt (ich verzichte auch auf zuckerhaltige Getränke) und nicht mit Sekt anstößt, dann kommen die Fragen. Manchmal denke ich, dass ich langweiliger bin als zuvor, weil ich schon um Mitternacht schlapp fühle. Früher hat der Alkohol mir geholfen, die ganze Nacht durchzuhalten, jetzt ist mir die Begleitung, das Lokal und die Musik wichtiger.

In welchen Momenten ist es besonders schwierig ein Glas abzulehnen? Und wie bist du damit umgegangen?


Nach ein paar Monaten ohne Alkohol habe ich schon die Vorteile gemerkt: Ich war produktiver, habe viel besser und tiefer geschlafen, ich habe samstags und sonntags viel mehr Zeit und keine Kopfschmerzen. Frühstück um 9 Uhr am Sonntag? Kein Problem!

Aber ich merkte auch, wie viel Selbstdisziplin man braucht. Wenn ich ein Glas ablehne, sage ich einfach »Nein, danke«. Wenn ich gefragt werde, dann ist meine Antwort meist »ich habe keine Lust darauf«. Ich traue mich oft nicht, zu sagen, dass ich generell keinen Alkohol trinke. Ich fahre nicht Auto, deswegen ist diese Ausrede auch raus. Das muss ich vielleicht noch weiter üben, sodass die Leute aufmerksam auf das Trinken werden und darauf, dass ein Leben ohne Alkohol möglich ist.

Wie hat dein engstes Umfeld auf die Entscheidung reagiert? (Beste Freundin, Familie, Partner)


Bei meiner Familie ist es gut angekommen, da wir nur beim Feiern ein bisschen Sekt trinken und das war immer optional. Für meine Freundinnen war es auch kein Problem, die können es sich mit meinem Lebensstil gut vorstellen. Meine beste Freundin ist Muslimin. Ich erinnere mich noch, wie ich sie früher öfter aufdringlich gefragt habe, warum sie kein Alkohol trinkt. Die Arme!

Mein Partner war immer verständnisvoll aber es hat trotzdem ein bisschen gedauert, bis er angefangen hat, es mir nicht mehr anzubieten. Bei Fremden oder Bekannten ist es nicht immer so einfach zu erklären, wenn ich keine große Diskussion anfangen möchte. Genau so wie bei meiner Ernährung. Das gute ist, dass ich mich nicht alleine fühle. Immer mehr Leute sind aufgeschlossener dem Thema gegenüber und kennen die Nachteile und Nebenwirkungen des Alkohols.

»Alkohol ist die einzige Droge, die man legal zu sich nehmen kann und bei der man permanent gefragt wird, warum man sie nicht nimmt. «


Über die Autorin


Ursprünglich aus Barcelona ist Mireia Wissenschaftlerin, Lehrerin und nebenberuflich Yoga Teacher. Seit 5 Jahren in Berlin, hat sie Anfang 2018 für 2 Monate auf Alkohol verzichtet. Aus dem anfänglichen Experiment ist ein Lebensstil geworden. Auf Instagram (@mireia_ws) teilt sie sowohl persönliche Erfahrungen, aber auch educational Content zu ihren Herzensthemen Yoga und Ernährung.