Erfahre mehr über die Welt der nüchternen Drinks
IPA, Pale Ale, Malzbier, Weizenbier oder doch lieber Blonde Ale? Oder Stout? So ziemlich alles, was Du biertechnisch benötigst, findest Du auch in alkoholfrei. Ob zum Feierabend, zum Grillen oder nüchtern.berlin-Style um 10 Uhr morgens für den Hustle-Lifestyle. What do you fancy, love?
Bier wie wir es heute kennen, gibt es frühestens seit dem 16. Jahrhundert. Davor war vielerorts selbst die Trennung zwischen Bier und Wein noch unklar. Erste Versuche das Brau-Tohuwabohu zu ordnen waren stets extrem regional und hatten meist fiskalische Hintergründe. Getreide war besonders einfach zu besteuern. Und wo kämen wir hin, wenn jeder mit dem braut, was ihm gerade einfällt. Der reine Biergeschmack, so scheint es, war meistens Nebensache. Oft wurden Getreide mit Früchten und Kräutern plus Honig gemeinsam vergoren. Hauptsache es gärt, törnt, beschwingt und knipst für einen Moment die Realität aus. Alles mögliche landete damals im Braukessel, mit dem Ziel den erwünschten und erstrebten Alkohol überhaupt erst trinkbar zu machen. Denn das war die eigentliche Kultur: den widerwärtigen Geschmack zu zähmen. Es wird vermutet, dass das Bier bis zum Mittelalter optisch eher in der Nähe von Spülwasser angesiedelt war, als an unserem heutigen Reklamebild vom funkelnden Blonden im Premiumpokal. Alle Biere waren unfiltriert, die Farbe schmutzwassergrau - Glas als Material war überhaupt noch nicht verbreitet. Man trank die trübe Brühe aus massiven Holzkrügen oder besser: -kannen oder aus tönernem Grobgeschirr. So viel zum Thema: “das Auge trinkt mit”. Die Trinktemperatur änderte sich natürlich gemäß den Jahreszeiten. So viel zum Thema: “ideale Trinktemperatur”. Bullshit.
Erst die Erfindung der Dampfmaschine im 19. Jahrhundert ermöglichte eine Trocknung des Malzes ohne Feuer und Rauch - von nun an schmeckte das Bier erstmals nicht mehr nach Qualm.
Der Einsatz von Hopfen, dem klassischen Kraut zur Bierwürze war lange Zeit nur in bestimmten Gebieten möglich. Nämlich da, wo er wuchs. Also nicht in England, nicht in Skandinavien. Nicht mal in Holland. Diese Länder hatten eine komplett andere Bierkultur. Gewürzt wurde mit Fichtennadeln im Osten, Wacholderzweigen im Norden. Besonders beliebt der Gagelstrauch. Der wurde verwendet, wo man auf den Gebrauch von Hopfen pfiff. Gruitbier nannte sich das in Holland. Warum auch hätte sich die Kolonialmacht Niederlande an die Bierverordnungen eines regionalen bayrischen Landesfürsten halten sollen? Das bayerische Reinheitsgebot, das später mit der Reichseinigung zum Deutschen Reinheitsgebot wurde, interessierte außerhalb der deutschen Grenzen kein Schwein.
In Großbritannien gab es historisch Ale - ohne Hopfen. Mit Hopfen ging auch, dann hieß es “Beer” - war aber alles andere als landestypisch. Andere Länder, andere Sitten. Als einzige Gemeinsamkeit dieser noch so unterschiedlichen Bierkulturen: Alle Varianten enthielten ein bestimmtes Maß an Alkohol. Vom Small Beer für die arme arbeitende Bevölkerung bis zum potenten Fastenbier der betenden Mönche. Alkohol war immer. Alkoholfrei? Unerwünscht und unmöglich. Wer kam also auf die Schnapsidee, einem vollendeten Bier den Alkohol wieder wegzunehmen?
Wer kam auf die GENIALE Idee, alkoholfreies Bier herzustellen? Die ersten Versuche, ein alkoholfreies Bier herzustellen, sind in Deutschland aus dem Jahr 1895 bekannt. Sie kamen ab 1905 als „Malzgold“, „Reformbier“ oder „Perplex“ vor allem in Wirtschaften der Lebensreform zum Ausschank - konnten jedoch beim Durchschnitts-Biertrinker nicht punkten und wurden bald wieder eingestellt. Weder Geschmack, Stabilität und Haltbarkeit dieser mit gestoppter Gärung entstandenen Biere waren zufriedenstellend. 1919 stellten US-Brauer infolge der Prohibition ihr erstes Bier mit 0,5 % Alkohol vor. Nach den neuen Gesetzen galt dies als alkoholfrei, in Deutschland lag die Marke lange Zeit bei 0,1 % Alkohol. Und war so rein technisch gar nicht zu machen.
Nach dem Ende des Alkoholverbotes waren alkoholfreie US-Biere der Ladenhüter schlechthin und verschwanden wieder vom Markt. Im Jahre 1965 gelang es in der Schweiz erstmals ein Bier mit Spezialhefen brauen, dessen Alkoholgehalt unter 0,5 % lag.
Deutschland war hinsichtlich alkoholfreier Biere noch Entwicklungsland. Bis 1953 gab es keine Promillegrenze für Autofahrer, also streng rechtlich keinen Grund auf Alkohol zu verzichten. 1973 dann wurde für westdeutsche Autofahrer die Blutalkoholgrenze von 1,5 auf 0,8 Promille herabgesetzt. Viele osteuropäische Länder gingen sogar darüber hinaus - jetzt galt 0,0 Promille im Straßenverkehr. Diese Entwicklung blieb auch im Arbeiter- und Bauernstaat auf deutschem Boden nicht unbeobachtet. Auch hier galt striktes kein Alkohol am Steuer - 0,0 %. Der Wirtschaftsrat der DDR hatte die Idee, mit einem Bier für Autofahrer einen zusätzlichen Devisenbringer in das Sortiment der Autobahnraststätten aufzunehmen. Insbesondere am Hermsdorfer Kreuz, dem Dreh- und Angelpunkt des Transitverkehrs, wollte man das neue Getränk gegen harte Währung an den Mann bringen.
Im sozialistischen Deutschland hatte man ein massives kollektives Alkoholproblem. Mangelwirtschaft hin oder her. Zu Saufen gab es immer. Immer mehr. Seit den 1960er Jahren war der Bierverbrauch in der DDR enorm gestiegen. Deshalb erhielt das Getränkekombinat Berlin den Auftrag, ein alkoholfreies Bier zu entwickeln. Von janz oben. Ein sogenanntes AUBI - AUtofahrerBIer.
Das Produkt war noch gar nicht ausgegoren als angeblich 1972 ein angetrunkener Direktor die Order gab, das Produkt auf den Markt zu werfen. Sofort und unverzüglich. Die angepeilten Genossen aus den volkseigenen Betrieben weigerten sich, das “bierähnliche Getränk” zu goutieren. Also verkaufte man das Bier von üblem Geschmack gegen Devisen ins Ausland: Foxy Lady in den USA und Berolina in England - beide Made in GDR. Nordkorea, Russland und Libyen waren weitere solidarische Abnehmer, wenn auch devisenfern. Im sozialistischen Deutschland selbst rührte kaum einer das Zeug an. Obwohl die ostdeutschen Braumeister fortschrittlich waren wie Bolle. Eine verbesserte Rezeptur unter anderem namens “Pilot” scheiterte aus wirtschaftlichen Gründen - das Bier war zum verordneten Einheitspreis von 75 Pfennig nicht an den Mann zu bringen. Aber dennoch - technisch hatten die volkseigenen Brauer die Nase vorn.
In Westdeutschland brauten die Stuttgarter erstmals 1975 mit der Marke Sanwald ein Alkoholfreies. Drei Jahre später folgt Clausthaler und erst 1995 enterte Erdinger mit dem ersten alkoholfreien Weizenbier.
2006 revolutionierte Warsteiner das Thema mit dem ersten Bier ganz ohne Alkohol. 0,0 Prozent. Bitburger zog nach. Richtig Bewegung ins Spiel kam im Zuge der Craft-Bier-Welle. 2010 brachte BrewDog in Schottland sein alkoholfreies IPA „Nanny State“. Das war der Startschuss. Seit 2016 dann ein regelrechter Boom bei den alkoholfreien Craft-Bieren ein. Und kein Ende in Sicht. Brauhaus Nittenau, Riedenburger, die Hamburger Kreativbrauerei Kehrwieder und BRLO in Deutschland. Auch die Stars der Szene nahmen sich dem Thema an: Mikkeller, Lervig, Omnipolo, Pohjala. Sie pfeifen auf’s Reinheitsgebot und bereichern die alkoholfreie Bierwelt mit ihren Kreationen: Biere mit Fichtennadeln, Grapefruit, exotischer Yuzu oder heimischen Riesling Trauben.
Die geschmackliche Revolution im Bierglas. In alkoholfrei.
Alkoholfreies Bier entsteht heute entweder nach klassischen Methode der gestoppten Gärung – vor allem alkoholfreies Weißbier – oder bei der Vakuumverdampfung. Hier fließt normal gebrautes Bier durch einen senkrecht stehenden beheizten Zylinder, in dem Unterdruck herrscht. Der Siedepunkt sinkt und der Alkohol beginnt bereits bei ca. 40° C zu verdampfen. Bei über 78° C kann er herausdestilliert werden, Nachteil: es gehen viele aromaprägende Inhaltsstoffe flöten. Das modernste Verfahren ist die Vakuumrektifikation, Spinning-Cone auf englisch. Hier werden Alkohol und Bier wie im Verstärker einer Brennerei in mehreren Schritten voneinander genommen. Durch den Unterdruck strömt normales Bier von unten in die Anlage, wird erwärmt, verdampft und kondensiert an höher gelegenen Böden. Schritt für Schritt erhöht sich der Alkoholgehalt, bis er am Ende abgeleitet wird. Auch die entzogenen Aromen können am Ende wieder zugesetzt werden - fertig ist das wohlschmeckende Alkoholfreie. Vielversprechend sind auch spezielle Hefestämme. Hefen, die gar keinen Alkohol entstehen lassen, sind der absolute Bringer, auf diese Art entstehen die schönsten, aromaträchtigsten Paradebeispiele alkoholfreier Braukunst. Chapeau!
Alkoholfreies Bier macht über 5% des deutschen Biermarktes aus, Tendenz steigend.
It’s really not that hard. Alkoholfreies Bier ist das wohl am weitesten entwickelte alkoholfreie Getränk auf dem Markt. Geschmacklich kaum noch vom großen Bruder mit Umdrehungen zu unterscheiden. Von daher: genieß es einfach, wie du auch ein Bier mit Alkohol genießen würdest. Gut gekühlt, pur zum Feierabend oder zur deftigen Brotzeit. Zur Weißwürschtle. Ob im Kölsch Glas oder nach bayerischem Vorbild in der 1 Liter-Maß. Gerne auch mit Cola gemixt als Diesel. Drecksack würde man auf’m Dorf sagen. No more Colabier-Shaming!